Samstag, 2. Februar 2013

Tyskerbarna - Deutschenkinder

Für alle diejenigen, die sich gewundert haben, dass ich in den beiden letzten Januarwochen so wenig habe von mir hören lassen: Ja, ich war tatsächlich im Urlaub...

... und zwar in Norwegen. Zuerst ging es mit der Fähre nach Oslo. Schon allein die morgendliche Fahrt durch den Oslofjord war herrlich!


Nach zwei Tagen in der norwegischen Hauptstadt ging es dann weiter gen Norden nach Geilo zum Vikingtreffet 2013. Für alle, die damit nichts anfangen können: Es handelt sich um ein Offroader-Treffen - Geländefahren im Schnee. Und die Runden auf dem zugefrorenen See am Dagali Flyplass sind last not least auch kein schlechtes Training für das Fahren auf Glatteis auch in heimischen Gefilden...

Ja, das ist die Genealogin am Steuer dieses niedlichen kleinen Vehikels.


Gut, dieser Trip als solcher hatte wenig mit Genealogie zu tun. Trotzdem hat er mich in einem Punkt nachdenklich werden lassen:  
Wie steht es eigentlich mit den deutsch-norwegischen Familienbeziehungen? 

Heute kommen wir Deutschen ja in Frieden, und zwar entweder, um uns dieses wirklich wunderschöne Land aus dem touristischen Blickwinkel anzugucken oder auch um dort zu arbeiten. Wir bekommen in den Medien ja auch oft das Bild von den glücklichen Skandinaviern mit ihren tollen Sozialsystemen und der offenen Gesellschaft vermittelt. Und inzwischen wird man als Deutscher auch nicht mehr schief angeguckt - es wurden uns jedenfalls keine rechten Arme entgegegengereckt. Alles in Allem kann ich einen Urlaub in Norwegen wirklich jedem empfehlen.

Die Beziehungen waren jedoch nicht immer so entspannt.

Vom April 1940 bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945 war Norwegen von der deutschen Wehrmacht besetzt. Und wie immer, wenn ein Land das andere besetzt, so kommen sich auch die Menschen näher. Manchmal freiwillig, manchmal zwangsweise, manchmal auf einer Ebene, die sich nicht so einfach definieren lässt, sondern irgendwo dazwischen liegen dürfte.

Aus diesen deutsch-norwegischen Begegnungen und Beziehungen entstanden naturgemäß auch Kinder, und zwar nicht gerade wenige. Nach Schätzungen wurden in dieser Zeit bis zu 12.000 Kinder gezeugt, davon 8.000 im Rahmen des Lebensborn-Programms. Auch in Geilo wurde ein Lebensborn-Heim mit Betten für 60 Mütter und 20 Kindern betrieben. (Quelle: wikipedia).

Man kann sich also vorstellen, dass die Familienforschung damit vor gewisse tatsächliche Probleme gestellt wird. Die "Tyskerbarna" ("Deutschenkinder") und ihre Mütter (im Volksmund "Tykertoser" - also grob übersetzt "Deutschenflittchen" genannt) hatten es nun wirklich nicht leicht. Um noch einmal wikipedia zu zitieren:

"Nach dem Krieg wurden vor allem in Norwegen eine große Anzahl dieser Kinder misshandelt, sexuell missbraucht, psychiatrisiert und zwangsadoptiert, was nicht wenige in den Suizid getrieben hat. In Norwegen attestierte ein Oberarzt allen „Deutschkindern“ aus den Lebensbornheimen nach Ende der Okkupation kollektiv die Diagnose „schwachsinnig und abweichlerisches Verhalten“. Die Begründung: Frauen, die mit Deutschen fraternisiert hätten, seien im Allgemeinen „schwach begabte und asoziale Psychopathen, zum Teil hochgradig schwachsinnig“. Es sei davon auszugehen, dass ihre Kinder dies geerbt hätten. „Vater ist Deutscher“ genügte zur Einweisung. Teilweise waren sie auch medizinischen Versuchen mit LSD und anderen Rauschgiften ausgesetzt. Ihre Ausweispapiere wurden vernichtet, gefälscht oder bis 1986 als „Geheimmaterial“ zurückgehalten."

Man kann es sich heute schon fast nicht mehr vorstellen, oder? Das Bild, das wir heute von der norwegischen Gesellschaft haben, ist eben doch ein völlig anderes. Und das ist auch gut so.

Was bedeutet das nun für die Familienforscher? Nun, zum einen eine gewisse Ungewissheit auf beiden Seiten.

Es wird sicherlich auch heute noch in Deutschland einige Menschen geben, deren Väter im 2. Weltkrieg in Norwegen stationiert waren und damals Kinder gezeugt haben, ohne dass es die Familie zu Hause im Einzelnen - wenn überhaupt - erfahren hat. Es könnten also noch immer bislang unbekannte Halbgeschwister oder norwegische Cousins und Cousinen vorhanden sein.

Auch auf der norwegischen Seite dürfte die Familienforschung verkompliziert werden, zum einen, weil - wenn man wikipedia folgt - ein Teil der Ausweispapiere unbrauchbar gemacht bzw. vernichtet wurde. Gleichzeitig sind auch in Deutschland viele Akten aus dem 2. Weltkrieg durch die Bomben auf Berlin kurz vor Kriegsende unwiederbringlich vernichtet worden, so dass es schwierig sein dürfte, nachzuvollziehen, welcher "Hans Müller" oder "Fritz Schmidt" denn nun tatsächlich der biologische Vater gewesen ist. Hier sehe ich einen sinnvollen Einsatz für die DNA-Technologie, die vor einer Generation ja noch gar nicht zur Verfügung stand.

Und da soll noch jemand sagen, dass die forensische Genealogie keine Herausforderungen bietet?



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