Einer meiner Ur-Ur-Ur-Urgroßväter war Caspar Heinrich Niemeyer aus Wallenbrück. Er war seit 1811 mit Anna Catharina Ilsabein Aufderheide verheiratet, und seine zweite Tochter Catharine Marie (geb. 1813) heiratete 1841 Hermann Heinrich Schwentker.
Was mich immer schon irritiert hatte: Ich habe alle Kirchenbücher durchgeguckt, aber von Caspar Heinrich keinen Sterbeeintrag gefunden, und zwar weder in Wallenbrück noch in Spenge noch in Werther, wo seine Tochter inzwischen wohnte.
Ein Stück weiter bin ich aber trotzdem gekommen.
Im Netz findet sich eine wunderbar hilfreiche Seite, nämlich
Sie befasst sich mit westfälischen Auswanderern - und davon gab es viele. Sehr viele.
Unter dem Unterpunkt "Auswanderer Kreis Herford" findet man eine 960 Seiten starke PDF-Liste mit diversen Informationen über Hunderte von Emigranten. Und einer davon ist oder besser war mein Ur-Ur-Ur-Uropa Caspar Heinrich Niemeyer aus Wallenbrück! Laut der Liste ist er im Jahr 1853 mit seinem Sohn Peter Heinrich und seiner Schwiegertochter Anne Margarethe Ilsabein Potthoff in die USA ausgewandert. Sein anderer Sohn Johann Heinrich folgte ein Jahr später mit seiner Frau Anne Marie Timmermann und fünf Kindern unter zwölf Jahren.
Gut, die Liste wurde in Deutschland erstellt. Aber war sie auch ein Beweis dafür, dass Caspar Heinrich Niemeyer auch tatsächlich in den USA angekommen war? Nein.
Ich suchte also weiter.
Bei ancestry wurde ich fündig:
Hier ist der Eintag aus der Passagierliste der "Helene", die von Bremen aus kommend am 27.12.1853 im Hafen von New Orleans, Louisiana einlief. Der erste Name ist - Casper Niemeier!
Das einzige, was nicht passt, ist sein Alter, das er mit 60 Jahren angegeben hat. Er ist nicht 1793 geboren, sondern schon ungefähr vier Jahre früher. Dass ich den richtigen "Casper Niemeier" erwischt habe, steht aber außer Frage, denn Peter Heinrich und seine Frau fuhren auf demselben Schiff.
Die Erklärung dürfte ganz einfach sein: Die USA waren ja nicht verpflichtet, jeden aufzunehmen, der auf einmal in einem ihrer Häfen auftauchte. Ich nehme deshalb an, dass Caspar bei seinem Alter ein paar Jahre "weggeschwindelt" hat, um das Risiko zu verringern, postwendend wieder zurückgeschickt zu werden.
So kamen also die Niemeiers nach Amerika. Der nächste Schritt wird nun sein, herauszufinden, wie es dort mit ihnen weiterging, denn das weiß ich bis jetzt noch nicht. Ich glaube nicht, dass sie in Louisiana geblieben sind; ich tippe eher darauf, dass sie den Mississippi hoch nach Norden gefahren sind. Viele Ostwestfalen gingen nach Missouri - die Niemeyers vielleicht auch. Schwierig ist es, weil ich nicht weiß, unter welchem Namen sie in den USA lebten, und es gibt ja Dutzende von Möglichkeiten, wie sie sich genannt haben könnten - die englische Aussprache macht es möglich...
Was ich aber weiß ist, dass ich einen Höllenrespekt vor Caspar habe - nämlich davor, dass er nicht einfach nur zu Hause geblieben ist, um darauf zu warten, dass bessere Zeiten kommen, sondern dass er in einem Alter, in dem andere sich selbst schon abgeschrieben haben, noch einmal einen Neuanfang wagte - und was für einen! Mitten im eisigen Dezember eingepfercht mit Dutzenden anderen über den riesigen Atlantik zu fahren, um in einem neuen Land noch einmal eine neue Existenz aufzubauen. Dazu gehört entweder großer Mut oder große Verzweifelung. Ich kann mir nur vorstellen, wie es war, einen Teil der Familie zurückzulassen, vor allem auch, weil Catharine Marie, die ja mit ihrer Familie in Werther geblieben war, gerade zum fünften Mal Mutter geworden war und er ja wahrscheinlich wusste, dass er sie und seine Enkel nie wiedersehen würde.
Ich hoffe aber für ihn, dass wenigstens auch ein kleiner Schuss Abenteuerlust dabei war und ich davon ein bisschen geerbt habe... was uns zu einer kleinen Ironie des Schicksals bringt: 1996, also genau 143 Jahre später, lief Caspars Ur-Ur-Ur-Urenkelin - also ich - durch New Orleans, ohne zu wissen, dass Caspar schon längst da gewesen war. Das war genau der Sommer, in dem ich mit der Familienforschung angefangen habe - ungefähr eine Woche vorher hatte ich mir vom Grabbeltisch im WalMart für ganz kleines Geld mein erstes Stammbaumprogramm gekauft. Ich war im Hafen von New Orleans und habe von dort aus eine Rundfahrt über den Mississippi gemacht, bei der ich mir einen wirklich fiesen Sonnenbrand geholt habe, nur um dann an die Stelle zurückzukehren, an der wir den Mietwagen geparkt hatten, der in der Zwischenzeit aber abgeschleppt worden war, weil er wohl zu nahe an einem Hydranten gestanden hatte. Aber das ist eine andere Geschichte...
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen